Andere suchen sich die unterschiedlichen Schriften am Computer aus – Romana hat sie alle im Kopf und bringt sie gekonnt zu Papier. Schon als Kind hatten Buchstaben ihre vollste Aufmerksamkeit: Als ihr in der Grundschule das kleine „s“ nicht gefiel, hat sie es direkt neu entworfen. Damals handelte sie sich einen Tadel ein, heute verdient sie damit ihr Geld. Romana Moser ist Schönschreiberin in Basel.
Wieso sie doch aber erst einen Umweg über den Beruf der Hotelfachfrau gemacht hat und vom mutigen Schritt in die Selbständigkeit erzählt sie exklusiv auf MY TINY HOME.
„BUCHSTABEN SIND GOLD FÜR MICH“
Romana, von welchem Beruf hast du als Kind geträumt?
Tatsächlich wollte ich schon als Kind Grafikerin werden. Manchmal besuchte ich einen entfernten Cousin dritten Grades, der Grafiker ist und der sein Wohnzimmer auch gleichzeitig als sein Atelier nutzt. Das war wie eine andere, wundervolle Welt für mich. Immer wieder brachte er mir etwas bei und schenkte mir Materialien: Schönes Papier oder ein paar Stifte, die er nicht mehr brauchte. Das Beste aber war, wenn er mir eine Urkunde zeigte, die er gerade in einer alten Schrift schrieb und vergoldete. Da dachte ich immer: Das möchte ich auch machen!
Hast du dich also schon immer für Schriften begeistert?
Als wir in der Schule angefangen haben, die Schreibschrift zu lernen, mussten wir mit jedem Buchstaben eine ganze Heftseite füllen. Ich bekam immer ein Lob und musste nie etwas wiederholen – bis dann das kleine „s“ dran kam. Es passte mir einfach nicht, irgendwas fehlte diesem Buchstaben! Ich habe mich also nicht an die Form gehalten und es mit einem schwungvollen bauchigen Bogen geschrieben. Genau so, wie es mir gefiel. Danach musste ich zum ersten Mal die Seite neu machen und habe kein Lob bekommen. Ich wusste ab da zwar, was von mir verlangt wurde, aber ich könnte heute noch genau sagen, welche Buchstaben ich damals als sehr unschön empfand!
Trotzdem hast du erst Mal eine Ausbildung zur Hotelfachfrau gemacht. Wie kam das?
Als die Zeit für meine Berufswahl kam, wurde mir von allen Seiten gesagt, dass der Grafikbereich so im Wandel sei, dass Entwürfe nur noch am Computer gestaltet werden und für eine schöne Handschrift nicht bezahlt würde. Ich wollte jedoch unbedingt etwas erlernen, wofür ich meine Hände gebrauchen kann und kreativ arbeiten – daher entschied ich mich gegen die Ausbildung als Mediengestalterin. Als „Schnupperlehrling“ habe ich mir dann den bis dahin für mich ganz fremden Beruf der Hotelfachfrau angeschaut. Das gefiel mir sofort aufgrund der Abwechslung und der spannenden Gastgeberrolle. So habe ich dann zwei Jahre lang eine Ausbildung in einem Vier-Sterne-Hotel absolviert und danach drei Jahre im Engadin gearbeitet. Manchmal habe ich schon damals die White Boards mit den aktuellen Monatsweinen gestaltet – der Anfang meiner Liebe zur Tafel- und Fensterbeschriftung.
Die Buchstaben haben die also nie ganz losgelassen. Nun bist du selbständige „Schönschreiberin“ – wann und wie hast du diesen Sprung gewagt?
Mit 21 bin ich dann für ein Jahr nach Norwegen auf die Kunstschule, auch, um herauszufinden, in welche Richtung ich mit meiner Leidenschaft gehen will. Anschließend konnte ich in Basel eine vierjährige Ausbildung als Mediengestalterin beginnen und fand danach auch gleich eine Anstellung in einem Grafikbüro. Nach wenigen Jahren merkte ich aber, dass durch das tägliche Gestalten am Computer meine eigene Kreativität auf der Strecke blieb. Ich kündigte Ende 2011 und arbeitete bei Freunden in einem tollen Stadtcafé Teilzeit, aber mit dem klaren Ziel, nebenbei kreativ zu arbeiten und mir etwas aufzubauen. Eine Zeit lang war das finanziell ganz schön eng und ich war nicht ganz sicher, wohin mich das alles führt. In der Zeit eines persönlichen Umbruchs war aber auf einmal klar: „Jetzt oder nie! Ich probiere das, ich mache mich mit meiner Kunst selbständig.“
Was ist dir aus der Anfangszeit noch am meisten in Erinnerung?
Ich habe mir viel Unterstützung geholt – eine Freundin hat mit mir einen Businessplan geschrieben und die Startup Academy Basel hat mich in den ersten zwei Jahren beraten. Dort waren erst nicht alle von meiner Idee überzeugt, „Geld verdienen mit Handschriften?“ – aber es hat geklappt. Inzwischen bin ich in einer Position, nur Aufträge annehmen zu können, die genau zu mir passen und mich reizen. Das ist auch wichtig in der Selbständigkeit, denn es gehört so viel Mut, Risiko und Verwaltung dazu, da muss am Ende dann schon auch die Tätigkeit herausspringen, die man sich vorgestellt hat.
Hast du nun also mit deiner Selbständigkeit einen großen Traum verwirklicht?
Ich dachte immer, ich habe keine großen Träume. Aber als mir dann vor vier Jahren bewusst wurde, dass ich über Umwege nun endlich doch in einem Grafikbüro arbeite, musste ich schon lachen. Und nun hat sich der Kreis sogar ganz geschlossen, indem ich mich selbständig gemacht habe, von Hand arbeite und das Vergolden gelernt habe! Auch wenn ich es gar nicht immer so auf dem Schirm hatte – ja, ich hab mir einen großen Traum verwirklicht!
Was magst du ganz besonders an deiner Arbeit?
Ich liebe es, dass ich etwas machen kann, was anderen Menschen das Herz erwärmt. Es ist nichts außergewöhnlich Neues, aber ich gebe den Worten, die ihnen etwas bedeuten, zum Beispiel ihrem Lebensmotto, ein neues Outfit, lasse den Text in einem neuen Licht erscheinen. Auch, dass ich einfache Texte für ein Schaufenster oder eine Tafel lebendig werden lassen kann, so, dass sich Auge und Herz daran erfreuen, das mag ich sehr. Wenn ich mal eine große Wand beschriften darf, freue ich mich immer besonders – Wände zu beschreiben ist für die Schweizer schon auch noch eher revolutionär, das „macht man doch nicht“.
Warum ist dir das so wichtig? Wieso gestaltest du lieber von Hand als mit dem Computer?
Es ist viel sinnlicher, näher an der Natur, zurück zu den Wurzeln. Bevor es den Buchdruck gab, wurde ja auch alles mit der Feder geschrieben. Es ist so simpel. Ein Computer benötigt Strom und die passende Software – und ich nur Stift und Papier und schon kann ich ans Werk gehen. Dadurch bin ich sehr unabhängig, und: Das Ergebnis ist einzigartig!
Gibt es ein Material, mit dem du am liebsten arbeitest?
Verschiedene Stifte sind mein Leben! Ich probiere immer wieder etwas Neues aus. Der Water Brush Pen steht bei mir aktuell besonders hoch im Kurs: Er wird mit einer hellen Wasserfarbe gefüllt, man taucht dann aber den Pinsel in eine dunklere Farbe, bevor man schreibt. Damit kann man dann spannende Verläufe erzielen!
Wie kamst du eigentlich auf den sympathischen Namen jentami für deinen Kartenshop?
In der Zeit auf der Kunstschule in Norwegen habe ich mich mit einer jungen Inderin besonders gut verstanden. Sie war für mich wie eine kleine Schwester, und sie hat mich immer jentami genannt, das bedeutet „mein Mädchen“. In dieser Zeit sind auch meine Engel-Karten entstanden. Als sie so gut ankamen, wollte ich ihnen einen Namen geben. Da lag jentami für mich auf der Hand, weil dieser Name so viel Geborgenheit in sich trägt – jedenfalls für mich.
Was ist der kleinste Wohnraum, in dem du je gewohnt hast?
In der ersten Saison als Hotelfachfrau habe ich mir ein unglaublich kleines Zimmer mit einer Kollegin geteilt. Wir bekamen fast Platzangst, wenn wir beide nebeneinander in dem Raum standen und hatten nur einen kleinen Schrank und eine Kommode. Das Beste am Zimmer war eigentlich nur die Panoramaaussicht Richtung Maloja – unbezahlbar! Damals habe ich von meiner Mitbewohnerin gelernt, was bei einem so kleinen Zimmer immer wichtig ist: Jeden Tag ordentlich das Bett machen oder einen hübschen Bettüberwurf nutzen. Dann ist das Zimmer schon mal halb aufgeräumt.
Heute hast du etwas mehr Platz. Wie hast du denn die Wände bei dir zu Hause gestaltet?
Ich habe zur Zeit nur wenige Bilder aufgehängt – ein selbstgemaltes aus meiner Norwegenzeit und eine wunderschöne Collage einer Freundin. Meinen Flur habe ich mit Polaroid-ähnlichen Fotos von meinen Lieben geschmückt, und Landkarten finde ich auch immer toll als Wanddekoration. Meine eigenen Bilder und Sprüche kann ich zu Hause recht schnell nicht mehr sehen, das verbinde ich dann schon mit Arbeit und ich würde immer noch etwas daran ändern wollen. Aber an den Wänden im Atelier ist das anders, dort mischen sich meine eigenen Designs und Karten, die ich von Freunden geschickt bekommen habe, die mich entweder durch ihren Inhalt oder durch ihre Schrift inspirieren.
Wann hast du das letzte Mal etwas für dich gemacht?
Im Oktober war ich in London und habe dort einen Handlettering Kurs besucht, von einem Sign Painter, also einem Kunstmaler für handgeschriebene Schilder. Ich habe in diesen vier Tagen wie in einer anderen Welt gelebt und sogar gelernt, Buchstaben zu vergolden! Außerdem habe ich viele andere Berufskollegen kennengelernt. So spannend, was alles entsteht, wenn sich verschiedene Leute treffen, die die gleiche Leidenschaft miteinander verbindet!
Vielen Dank für das Gespräch für MY TINY HOME und alles Gute dir weiterhin, liebe Romana!
Seht hier ein paar Beispiele ihrer Arbeit, mehr gibt es natürlich auf ihrer Webseite oder auf Instagram. Sie nimmt auch Aufträge an, und für alle, die mal in Basel vorbeikommen, empfehle ich unbedingt, einen Workshop bei ihr zu besuchen.
Im folgenden Video stellt sich Romana noch persönlich vor und gibt einen Einblick in ihre Arbeit und weitere Dinge, die sie inspirieren.
(For English subtitles, please click on CC in order to see them.)
Von kobrini auf Vimeo.
RomanaSchrift
Webseite: romanaschrift.ch
Instagram: romanaschrift
Romanas Postkartenshop: jentami
Email: mail(at)romanaschrift.ch
Bilder & Video mit freundlicher Genehmigung von romanaschrift.ch